Indien in der "light version"

Eigentlich sind die Voraussetzungen nicht schlecht für das Vorhaben. Sri Lanka, touristisch gut erschlossen, mit vielen sehenswerten Zielen, viel Natur und freundlichen Gastgebern. Und gross genug, um auch eine zwölftägige Radreise nicht langweilig werden zu lassen.

Start mit Hindernissen

Nach einer durchwachten Nacht in einem völlig überfüllten Flugzeug auf unkomfortablen Sitzen wartet eine unschöne Überraschung. Sri Lankian Airlines hat es tatsächlich geschafft, den extra stabilen Karton meines Fahrrades aufzureissen. Und natürlich fehlt auch eine Tasche. Die folgende Suchaktion bleibt leider ergebnislos, also muss ich erst einmal einkaufen gehen.

Und so lerne ich Colombo kennen. Im Tuktuk geht es durch Häuserschluchten und von Shopping Mall zu Shopping Mall. Und dabei fällt die Gesichtslosigkeit der Hauptstadt auf. Die wenigen sehenswerten Höhepunkte sind schnell abgegrast und es bleiben Verkehrsstaus, Lärm, Gestank und die Anonymität einer Grossstadt hängen.

Am dritten Tag habe ich eigentlich ein Bahnticket nach Anurapdhapura. Da aber der Fahrradtransport nicht so einfach ist, fährt der Zug ohne mich. Und so setze ich mich nachmittags um halb vier auf das Rad um aus Colombo zu fliehen. Für die vierzig Kilometer nach Negombo benötige ich drei Stunden, aber Hauptsache, erst mal raus aus Colombo.

Eine Dezembervollmondnacht

Entlang der Küste nach Norden und dann über den Nationalpark Wilpattu geht es in das kulturelle Dreieck. Auf den Nebenstrecken entlang der Küste lasse ich die Erinnerung an das unangenehme Grossstadtleben hinter mir. Bis sie dann im Wilpattu Nationalpark verloren sind und ich in Sri Lanka angekommen bin.

Der weitere Weg wird gesäumt von Tempeln und heiligen Stätten. Die erste Station ist Anuradhapura. Der Sage nach steht hier der älteste von Menschenhand gesetzte Baum. Ein Ableger jenes Bodhibaums, unter welchem Siddharta Gautama die Erleuchtung erlangte. Im buddhistischen Glauben kommt der Vollmondnacht eine besondere Bedeutung zu und dieser Baum soll in einer Dezembervollmondnacht gesetzt worden sein. Zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle. Wieder einmal.

Das kulturelle Dreieck

Nach zwei Tagen geht es weiter in Richtung Sigiriya. Anuradhapura war noch eher ruhig und von den Festlichkeiten zur Dezembervollmondnacht geprägt. Hier ändert sich das Bild sehr schnell. Backpacker und Reisegruppen bevölkern das beschauliche Örtchen. Und so ist es auch kein Wunder, dass auch die sonst so freundlichen Einheimischen im Ton ruppiger werden. Den Höhepunkt erfahre ich bei den Wolkenmädchen. Felsenmalereien in luftiger Höhe, welche einem strikten Fotografierverbot unterliegen. Morgens um halb sieben, als einer der ersten und alleine habe ich die Malereien vor mir. Und noch bevor ich sie in Ruhe betrachten kann, erschallt es lautstark von hinten: „Do not take any photo or I will arrest you…“.

Ich wende mich um und zeige meine leeren Hände. Aber der Wächter der unfotografierten Schönheiten brüllt weitere Mahnungen in meine Richtung und wendet sich anschliessend wieder seinem Mobiltelefon zu. Dermassen unter Generalverdacht gestellt, verliere ich auch den Blick für die Schönheiten. Gut, dass der Felsen noch mehr zu bieten hat, als gemalte Mädchen und genervte Hausmeister.

Weiter geht es über Polunnarowe nach Dambulla. Obwohl Dambulla und seine Höhlentempel nur ungefähr 25 Kilometer von Sigiriya entfernt sind, entschliesse ich mich zu dem zweitägigen Umweg. Wunderbare Fahrten durch das Hinterland mit Begegnungen, Gesprächen und etlichen Hellos, fernab ausgetretener Pfade.

Nach Süden

Hinter Dambulla verlasse ich das kulturelle Dreieck und mache mich in Richtung Süden auf. In Kandy angekommen, verschlechtern sich die Wetteraussichten für das Hochland dramatisch. So stelle ich mich auf eine Zugfahrt um und fahre direkt nach Ella. Dabei ist das Procedere für die Fahrradversendung per Bahn schon etwas ungewöhnlich. Ich lasse mein Fahrrad mit dem Morgenzug um 3:15 Uhr vorfahren und fahre selber erst um 10 Uhr hinterher. Und in der Tat klappt dieses Vorhaben auch.

Von Ella geht es einen Vormittag bergab aus dem Hochland heraus. Das nächste Etappenziel ist dann Udawalawe. Der Nationalpark beherbergt sehr viele Elefanten und der Game Drive gestaltet sich als ausserordentlich kurzweilig. Die Tage vergehen im Flug und es wird Zeit, sich wieder in Richtung Colombo zu orientieren. Über die Küstenstrasse nach Galle und von dort nach Colombo geht es am schnellsten, so scheint es. Aber auch am gefährlichsten. Etliche Beinahunfälle und Busattacken später lande ich wieder in Colombo, froh noch am Leben zu sein.

Warum Sri Lanka für Radreisende nicht zu empfehlen ist

Wieder in Colombo habe ich Gelegenheit mit lokalen Radbegeisterten zu sprechen und erfahre noch einmal die Bestätigung meiner Erlebnisse von den Vortagen. Als Radfahrer bist du in Sri Lanka Freiwild. Die Benutzung der Küstenstrasse ist lebensgefährlich, wenn überhaupt, sollte sie nur in den Nachtstunden befahren werden. Gerade den Bussen sollte man aus dem Weg gehen. Ihre Fahrer sind fast kriminell und komplett auf das Geld der Passagiere fixiert. Oftmals unterschätzen sie einfach deine Geschwindigkeit und den Abstand, mit dem sie an dir vorbeirauschen. Es geht die Vermutung, dass jährlich mehr Menschen im Verkehr sterben als zur ganzen Zeit des Bürgerkriegs. Vielleicht werden hier noch ungeklärte Konflikte ausgetragen?

Auf den Nebenstrecken lässt sich dagegen unbeschwert fahren, nur sind dabei Ortskenntnisse und ein gutes Navigationssystem von Vorteil. Nur ein paar Steine in der Tasche gegen allzu aufdringliche Hunde könnte nicht schaden. Letztendlich bleibt der Eindruck eines verlorenen Paradieses. Es fehlt an Stille und Zufriedenheit. Hektik und Ellenbogenmentalität treten vielerorts sehr offen hervor.

Warum Sri Lanka zu empfehlen ist

Die Bilder und Filme zeigen ein etwas anderes Bild. Dort ist viel an Offenheit und Freundlichkeit der Einheimischen zu sehen. Dies war auch abseits der Hauptstrassen so. Die Natur und Landschaft sind überwältigend. Über Sri Lanka liegt so etwas wie ein entschleunigtes, freundliches Indien. Und dies ist im Abschluss positiv gemeint.