Die Beschreibung von Nichts
Wie beschreibe ich etwas, was nicht da ist. Diese Frage stelle ich mir mehrfach bei der Fahrt durch den Hohen Atlas. Denn hier empfängt mich … ein grosses Nichts. Landschaften von absoluter Reduziertheit. Berge ohne Vegetation. Ganze Landstriche aus Stein.
Aus der Zivilisation
Wir verlassen Marrakesch nach einer kurzen Nacht, in der der Zauber dieser orientalischen Stadt noch nicht überspringen kann. Dazu ist der Aufenthalt zu kurz. Auf der Fahrt zum Fahrradverleiher zeigt sich aber schon das Potential dieses Ortes und macht die Vorfreude auf ein Wiedersehen groß. Ich bin in einer Gruppe mit ungefähr 20 Mitreisenden auf einer Fahrradtour durch den Atlas an den Rand der Sahara. Von dort soll es weiter durch den Antiatlas und zurück nach Marrakesch gehen. Eine Runde von ungefähr achthundert Kilometern, die wir mit Unterstützung von Transportfahrzeugen in einer Woche schaffen sollen.
Auf das Rad
Nach einer endlosen Anprobe der Räder, allen erforderlichen Einstellungen und kurzen Probefahrten in der Seitengasse geht es los. Und schnell zeigt sich die Qualität der geliehenen Räder. Von 21 Gängen sind nur zehn nutzbar. Hervorragende Aussichten, den Atlas zu durchfahren. Aber nachdem der Tag schon in den Nachmittag gewechselt ist, sind wir endlich froh, unseren Tatendrang auf dem Rad ausleben zu können. Schnell zeigen sich dann auch die unterschiedlichen Leistungsstände der einzelnen Teilnehmer. Gleich an der ersten Steigung splittet sich das Feld in Sportler und langsamere Begleiter auf. Und dies wird auch in der Woche so bleiben. Dadurch kommen wir in unseren Planungen zeitlich öfter mal in Bedrängnis … und in die Nacht. Schlimm? Keineswegs, lässt sich doch an der ein oder anderen Stelle ein Foto ohne Zeitdruck schiessen.
Berge, Schluchten, Reduziertheit
Die Berge werden nicht erradelt. Dabei helfen die Begleitfahrzeuge. Oben angekommen erwartet uns ein stahlblauer Himmel, endlose Bergketten, sämtliche Braun- und Rottöne der Erde und die grosse Reduziertheit des Hohen Atlas. Und gerade diese Reduziertheit der Landschaften lässt sich hervorragend in monochromen Aufnahmen umsetzen. Damit erhält das Nichts seine Konturen.
Die Tage auf dem Weg in die Wüste wechseln sich dann doch überraschend ab. Nach den Abfahrten über die südlichen Bergrücken des Hohen Atlas gelangen wir über Tinghir in die Todra Schlucht. Riesige, senkrechte Felswände bieten hier einen Spielplatz für Kletterer. Weiter in Richtung Erfoud zeigt sich dann ein erster Vorgeschmack auf die Wüste. Im staubigen Nichts spielt sich das Leben unter Tage ab. Das Wasser aus dem Hohen Atlas wird in riesigen unterirdischen Labyrinthen aufgefangen. Die Ebene ist gesprenkelt mit einfachen Eingängen, die wie Pickel weiss auf der Oberfläche herausragen.
Und mit diesen Eindrücken der ersten Tage werden wir in die Wüste geschickt, um nochmals eine weitere Stufe des Nichts zu erfahren.