Vom Lernen und Sehen einer neuen Farbe

Es ist ein erster Versuch, Radreisen und Fotografieren zusammenzubringen. Die reduzierte Geschwindigkeit beim Radreisen gilt als optimal für die Fotografie. Die Landschaft zieht in fast entschleunigter Geschwindigkeit vorbei. Die nahezu unendlichen Freiheiten lassen das Rad als ideales Fortbewegungsmittel erscheinen.

Landung in England

Und so starte ich in ein verlängertes Wochenende um auf dem Nordseeküstenradweg von Newcastle über Edinburgh und der schottischen Seenplatte nach Glasgow zu fahren. Nach einer schaukeligen Nacht auf der Fähre werde ich direkt auf dem Radweg in Newcastle-upon-Tyne ausgespuckt. Obwohl sich nur kleine Hügel auf dem Weg befinden und die fotografischen Pausen auch eher kurz gehalten werden, schaffe ich die avisierten hundert Kilometer am Tag nicht. Aus einem einfachen Grund – Nordwind. Eher heftiger. So konzentriere ich mich auf die englische Küste und die Schönheit des Radreisens.

Am zweiten Tag erreiche ich Lindisfarne. Ein kleine Insel, acht Kilometer vorgelagert, die über einen Fahrweg durch das Watt zu erreichen ist. „Check the tidetable“ steht in grossen Lettern angeschlagen, als ich mich auf die Überfahrt mache. Kurz bevor ich die Insel erreiche, finde ich dann auch besagte Gezeitentabelle. Und siehe da, ich habe die „sichere Zeit“ schon um eine halbe Stunde überschritten. Eine Übernachtung auf Lindisfarne war eigentlich nicht eingeplant. Mit viel Glück und nassen Füssen erreiche ich das Festland, nachdem ich ca. fünfhundert Meter durch strömendes Wasser gefahren bin, welches schon bis zu den Achsen reichte. So schnell habe ich Flut noch nicht erlebt.

Schottlands Stolz

Edinburgh erreiche ich am dritten Tag. Nach einem Kurzaufenthalt fahre ich über Kinross in eine Gegend, in der Rob Roy, der Unabhängigkeitspatron von Schottland, gewirkt hat. Baumlose Hügel, umfangreiche Seenplatten und vor allem endlose Radwege mit geringem Verkehrsaufkommen begleiten mich nun. Hier liegt also das britische Paradies für Radreisen. Die Erhebungen halten sich in Grenzen, der Wind ist ebenfalls abgeflaut und landschaftlich ist die Gegend absolut traumhaft. Am Abend liegt dann der wohl schönsten See Schottlands, der Loch Lomond, zu meinen Füssen (oder Zeltheringen).

Nach sechs Tagen Fahrt komme ich nach Glasgow, wo das Fotografieren wieder im Mittelpunkt steht. Hier lerne ich eine neue Farbe kennen: Goldgrau. An meinem einzigen Abend in dieser Stadt taut die abendliche Frühlingssonne die Häuserfassaden auf und gibt somit einen ganz eigenen Farbklang ab. Fast scheint es, als würde Glasgow in diesen Tagen den Winter hinter sich lassen und das Licht des Sommers herbeisehnen. Und so zeigt sich noch einmal der Grundcharakter dieser Stadt – charmant, charmant.